Ein Kompass auf dunklem Hintergrund

“Uno-Actu-Entscheidung“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Immer häufiger kommt es in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) zur sogenannten Uno-Actu-Entscheidung. Bei dieser Regulierungspraxis handelt es sich um die „rückwirkend befristete Anerkennung des Leistungsfalls“. Konkret bedeutet das für BU-Versicherte, dass der Versicherer Ihre Berufsunfähigkeit zwar anerkennt und die vereinbarte Leistung erbringt, damit aber auch zeitgleich eine Nachprüfung verbindet, die dazu führen kann, dass die Leistung der Berufsunfähigkeitsversicherung eingestellt wird. Die Versicherten erhalten dann also nur für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit die BU-Rente, wenn der Versicherer feststellt, dass sein Kunde zum Zeitpunkt der Leistungsentscheidung wieder gesund ist.

Die Versicherer dürfen also die Leistung anerkennen und gleichzeitig aber auch die Einstellung der Zahlung mitteilen – „uno acto“. Wendet sich der Versicherte gegen diese Entscheidung, liegt die Beweispflicht dafür, dass keine Berufsunfähigkeit mehr besteht, beim Versicherer. Um dies zu umgehen, bieten zunehmend mehr Versicherer ihren Kunden eine zeitlich befristete Leistung an. Der Kunde freut sich, dass die Regulierung durch die Versicherung so schnell und unkompliziert geklappt hat; merkt dabei aber nicht, wie er von der Berufsunfähigkeitsversicherung übervorteilt wird.

Unsere Fachanwälte von Wirth Rechtsanwälte sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisiert und kennen die Fallstricken, denen Versicherte gegenüberstehen.

Uno-Actu-Entscheidung in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Bei einer „Uno-Actu-Entscheidung“ kann die Berufsunfähigkeitsversicherung ihr Anerkenntnis mit einem Nachprüfungsverfahren verbinden und damit zwei Entscheidungen in einer („Uno-Actu“) treffen. Damit wäre es der Berufsunfähigkeitsversicherung möglich, auch nachträglich die BU-Rentenleistungen rechtssicher zu befristen, weil sie in dem Moment des Anerkenntnisses die Leistung mit einer Nachprüfungsentscheidung wieder einstellt.

Allerdings muss die Berufsunfähigkeitsversicherung dann nicht nur die formalen Voraussetzungen einer Befristung, sondern auch die formalen Voraussetzungen des BU-Nachprüfungsverfahrens beachten. Tut der Versicherer das nicht, ist die vermeintliche Befristung unwirksam und die Berufsunfähigkeitsversicherung hat ihre Leistung unbefristet anerkannt. Sie muss dann unter Umständen BU-Renten zahlen, obwohl der Versicherungsnehmer lange wieder gesund ist. Genau einen solchen Fall der Uno-Actu-Entscheidung hatte das Oberlandesgericht Dresden vom 22.08.2023 zum Geschäftszeichen 4 U 943/20 zu entscheiden.

Ein Beispiel zur Uno-Actu-Entscheidung

Ein Versicherungsnehmer erkrankt im Januar 2023 an Krebs. Aufgrund der Chemotherapie ist er nicht mehr in der Lage zu arbeiten und wird berufsunfähig. Er stellt einen Antrag auf BU-Rente bei seinem Versicherer, der mit der Erstprüfung der Berufsunfähigkeit beginnt.

Der Versicherer bestätigt, dass sein Kunde für die Dauer der Chemotherapie (Januar bis Juli, 7 Monate) bedingungsgemäß berufsunfähig war. Zeitgleich stellt der Versicherer aber auch fest, dass die Behandlung mit Erfolg verlief und nach den 7 Monaten keine Berufsunfähigkeit mehr vorliegt. Die Feststellung und Mitteilung des Berufsunfähigkeitsversicherung erfolgte allerdings erst im Dezember 2023, sodass zwischenzeitlich 12 Monate vergangen waren.

Mitteilung des Versicherers: Befristete BU-Leistung nach § 173 Abs.2 VVG

Der Versicherer teilt seinem Kunden daraufhin mit, dass er seine Leistungspflicht für die sieben Monate der Chemotherapie, also von Januar bis Juli 2023, anerkennt. Und dass er die BU-Rente bis zu dem Zeitpunkt erbringt, zu dem der Versicherte wieder als gesund gilt. Der Versicherungsnehmer freut sich darüber, dass er so unkompliziert die Leistung von der Berufsunfähigkeitsversicherung erhält. Dabei würde ihm mehr Geld zustehen.

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Befristete rückwirkende Leistungen der BU sind meist unzulässig

Befristungen, Vergleich und Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigen auch außerhalb einer „Uno-Actu-Entscheidung“ immer wieder Gerichte. So hatte der Bundesgerichtshof zuletzt zu BU-Befristungen entschieden, dass diese gegenüber dem Versicherten nachvollziehbar begründet werden müssen. Und unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht rückwirkend vorgenommen werden dürfen.

Letzteres soll laut dem Bundesgerichtshof insbesondere dann nicht möglich sein, wenn aufgrund der langen Regulierungsdauer der oder die Versicherungsnehmer(in) wieder gesund geworden ist, bevor das Anerkenntnis durch die Berufsunfähigkeitsversicherung ausgesprochen werden konnte.

Hintergrund ist unter anderem die Regelung in § 173 Abs. 2 VVG, die eine Befristung der BU-Rente zwar möglich macht, aber nur für die Zukunft wirkt und das auch nur, wenn Unsicherheiten über den BU-Leistungsanspruch bestehen. Da der Versicherer die Leistungsprüfung aber bereits eindeutig und endgültig abgeschlossen hat, fehlt bei einer Nachprüfung der Berufsunfähigkeit das Element der Ungewissheit. Der Versicherer kann also nicht von § 173 Gebrauch machen.

BU-Versicherer sollen ihre Machtposition nicht ausnutzen dürfen

In jedem Fall stehen Befristungen wie Vergleiche und BU-Nachprüfungsverfahren immer unter besonderem Einfluss von Treu und Glauben, da Berufsunfähigkeitsversicherungen durch ihre Erfahrungen und ihr Wissen gegenüber unerfahrenen Versicherungsnehmern eine gewisse Machtposition haben.

Diese soll die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu dessen Nachteil ausnutzen dürfen, sodass der Bundesgerichtshof entweder eine nachvollziehbare Begründung (Befristung und Nachprüfung) oder zumindest die Mitteilung etwaiger Nachteile (Vergleich) fordert.

Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, hat das für die Berufsunfähigkeitsversicherung häufig zur Folge, dass BU-Befristungen und Einstellungen unwirksam sind und sie auch dann eine BU-Rente zahlen muss, wenn der Versicherte schon wieder gesund ist oder wieder arbeiten geht.

Das bedeutet, der Versicherte in unserem Beispiel hätte nicht nur Anspruch auf 7 Monate BU-Rente (Januar bis Juli); die Dauer, während der er tatsächlich berufsunfähig war. Der Versicherer müsste bis zum Zeitpunkt der Nachprüfung (Dezember) und damit für insgesamt 12 Monate die Berufsunfähigkeitsrente bezahlen.

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Besondere Vorsicht ist für beide Parteien eines Versicherungsvertrages immer dann geboten, wenn BU-Leistungen für einen bereits abgelaufenen Zeitraum geltend gemacht werden. Denn auch für den Versicherungsnehmer wie für Versicherungsvermittler gilt es, etwaige Entscheidungen nicht einfach klaglos hinzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen und sich ggf. von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht beraten zu lassen.

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Tobias Strübing

Fachanwalt für Versicherungsrecht
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